Sachbericht Künstlerstipendium NRW 2020

Classic on a steelstring - Ansätze zur Übertragung klassischer Musik auf die moderne Stahlsaitengitarre

Ausgehend von der Betrachtung der Weiterentwicklung des akustischen Instruments Klavier vom Cembalo bis zum Konzertflügel von heute, und der allgemein üblichen Praxis auch Werke auf diesem modernen Instrument aufzuführen, die zur Zeit ihrer Komposition noch nicht zur Verfügung standen, habe ich mich mit der aktuellen Situation im Bereich der Gitarrenmusik befasst.

Wenn auch barocke Lautenmusik u.v.m. auf der modernen Konzertgitarre interpretiert werden, spielt die moderne Stahlsaitengitarre in der Klassikwelt, soweit ich erkennen kann, keine Rolle. Und das obwohl Bauform und vor allem Besaitung nicht nur klangliche Unterschiede sondern auch spieltechnische Besonderheiten mit sich bringen, die mir musikalisch durchaus interessant und reizvoll erscheinen.

Hinzu kamen die Überlegungen einerseits klassische Werke in Tabulatur zu übertragen um diese einem breiteren Publikum zugänglich zu machen und darüber hinaus Videos von meinen Interpretationen zu erstellen und beides im Internet zu veröffentlichen.

Auswahl von Instrument und Notensatzprogramm

Die heute übliche Konzertgitarre wird normalerweise mit Nylonsaiten (früher Darmsaiten) besaitet und hat ihren Hals/Korpusübergang im 12ten Bund.

Bei der modernen Stahlsaitengiarre gibt es eine größere Anzahl von Korpusformen, Hals/Korpusübergänge im 12ten oder 14tenBund von der sehr kleinen Parlor über Triple0 bis hin zu GrandConcert- oder Dreadnought-Modellen. Dazu kommen noch Varianten wie zB der Cutaway, welcher das Spielen in sehr hohen Lagen sehr vereinfacht. Die unterschiedlichen Korpusgrößen (auf Holzauswahl will ich an dieser Stelle nicht eingehen, auch wenn sie zusätzlich starken Einfluss auf den Instrumentenklang hat) geben eine Verwendungsmöglichkeit des Instrumentes vor. Der Klang ändert sich von von klein über mittel bis groß von eher mittenbetont über ausgewogen bis bass- und höhenstark. So werden Fingerstyletechniken auch eher auf den kleineren bis mittleren Gitarrentypen gespielt, die großen Modelle wie Dreadnought oder Jumbo finden eher im Strumming bzw der Liedbegleitung ihre Verwendung.

Für das Projekt habe ich mich schließlich für eine mittlere Korpusgröße, eine Goodall OM, Hals-Korpus-Übergang 14ter Bund entschieden, wenngleich es Passagen in der gespielten Literatur (zB Villa-Lobos, Schottish Choro, Takte 66 bis 67 ) gibt, die große Überstreckungen erfordern und daher auf längerer Mensur sehr schwer umsetzbar sind. Hier war die TripleO Martin, die in Form und Größe der klassischen Gitarre sehr ähnlich ist, deutlich einfacher einzusetzen. Bei der Spielhaltung musste ich mich zunächst auf die besonderen Bedingungen durch die Größe des Instruments einstellen.

Die stehende Spielhaltung mit Gurt, wie ich sie normalerweise auf der Bühne verwende, brachte mir nicht die nötige Stabilität für komplexere Passagen, im Sitzen lag die Gitarre zu waagerecht. Die klassische Sitzhaltung mit Fußbänkchen erwies sich schließlich als am vorteilhaftesten, wobei ich das Fußbänkchen letztlich unter dem rechten Fuß (normal wäre für Rechtshänder der linke Fuß) verwendet habe. Ansonsten wäre der Hals durch die Korpusgröße zu weit links gewesen.

Die ausgewählte Literatur wurde von mir sämtlich in ein Notensatzprogramm (verwendet wurde ausschließlich das Freewareprogramm MUSESCORE3) und von da aus in Tabulatur übertragen.

Auswahl der klassischen Literatur

Zielsetzung war es hier ein möglichst breites Spektrum der Epochen abzubilden. Meine Wahl fiel schließlich auf folgende Werke denen ich mich besonders gewidmet habe:

Fantasie – Silvius Leopold Weiss (1686-1750) und Präludium BWV999 sowie Bourée, Gigue aus der Lautensuite Nr1 E-Moll – J.S.Bach (1685-1750) für das Barock, Lagrima – Tarrega für die klassische Epoche sowie Etude No1 und Valsa Choro von Heitor Villa-Lobos (1887-1959) für die Moderne.

Zeitlicher Umfang des Projekts

Vor dem Hintergrund des Anspruchs, die ausgewählten Stücke möglichst bis zur Vortragsreife zu erarbeiten, habe ich seit Bewilligung des Stipendiums bis zum heutigen Tage unzählige Übungsstunden investiert. Hinzu kamen etliche Stunden mit der Erstellung der Partitur in Noten und Tabulatur, sowie die Beschäftigung mit Videotechnik und Möglichkeiten der Veröffentlichung der Ergebnisse.

Als Anhaltspunkte für meine Erarbeitung habe ich auf YouTube zugängliche Interpretationen bekannter Künstler (zB. J.Bream, A.Segovia, J.Williams als die Vertreter der älteren Generation oder auch aktuelle Interpreten wie zB Edson Lopes, Adam Roth, oder Ana Vidovic und viele andere mehr) für meine Recherche herangezogen.

Ergebnisse des Stipendienprojekts und Perspektiven

Durch das Stipendienprojekt konnte ich in der coronabedingten Isolation wesentliche Zuwächse an Fertigkeiten in mehreren Feldern erreichen.

Zuerst sei da natürlich der Zugewinn an technischem Level auf der Gitarre hervorzuheben, welches mir für die hoffentlich bald wieder beginnende regelmäßige Konzerttätigkeit eine hervorragende Grundlage gegeben hat. Auch wenn ich in meinem normalen musikalischen Arbeitsalltag nur selten mit klassischer Musik zu tun habe, konnte ich mit der Beschäftigung, und hier denke ich vor allem an die Musik der barocken Epoche, wertvolle Erweiterungen bzw Vertiefungen auf technischer sowie interpretatorischer Ebene erreichen.

Abschließend kann ich feststellen, dass es durchaus sinnvoll ist, sich der Herausforderung klassische Werke auf der Stahlsaitengitarre zu erarbeiten, zu stellen, um daran technisch sowie künstlerisch zu wachsen.

Abgesehen davon habe ich in dieser Richtung keinerlei Beispiele gefunden. Mit meinem Projekt „Classic on a steelstring“ scheine ich somit Neuland betreten zu haben.

Andererseits hat es sich für mich mit der Zeit immer klarer abgezeichnet, welche klangliche Tiefe und Modulationsbreite die klassische Konzertgitarre abzubilden in der Lage ist. Perspektivisch werde ich diesem Instrument in Zukunft mehr Aufmerksamkeit und Zeit widmen.

Eine Veröffentlichung der Ergebnisse auf meiner website http://kontakt.ozzyostermann.de/stipendium2020.html  soll noch im Sommer 2021 erfolgen.